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Autor Thema: Wie wirkt eine Geschichte seriös?  (Gelesen 17037 mal)

Offline KaZuko

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Wie wirkt eine Geschichte seriös?
« am: 09. September 2015, 20:19:37 »
Da muss ich glatt mal  bei der Überschwemmung mit neuen Threads mitmischen.

In den letzten Wochen hat es in der Beziehung zwischen mir und meinem High Fantasy Projekt 'Transzendenz' ein wenig gekrieselt, was dazu geführt hat, mir kurzfristig ein Projekt zum Abregen anzuschaffen. Das hat sich, wie meine vorherigen Geschichten, wieder im Urban-Bereich angesiedelt. Beim Schreiben dieses Abregers hat sich sehr schnell eine Distanz zu allem Magischen aufgebaut, das die Grundlage von Transzendenz bildet. Als ich schließlich vor ein paar Tagen plötzlich wieder irre viel Motivation für das High Fantasy Manuskript hatte und mich in Gedanken wieder an Plot und Thematik angetastet habe, ist mir etwas aufgefallen:

Wenn man Elemente von magiebasierten Geschichten herauspickt und in ihrer simplen Art betrachtet, klingen die teilweise echt lächerlich. Ich meine: Menschen, die mit einem Stock fuchteln, einen latainischen Ausdruck aufsagen und damit Dinge zum Schweben bringen? Oder blutrünstige Drachen, die überglücklich sind, wenn sie sich in Goldmünzen vergraben können, die sie nicht ausgeben können?
Wie kann es denn sein, dass diese Ideen ziemlich dämlich klingen, aber in ihrer Ausfertigung so viel Respekt einflößen? Vor Smaug hat man nämlich sehr großen Respekt, wenn er auf der Leinwand seinen Kopf aus dem Goldschatz hebt. Oder vor Voldemort, obwohl er aussieht wie ein seltsamer Alien. Aber wie haben die Autoren das hinbekommen? Wie schafft man es, aus einer kindlichen Vorstellung etwas Seriöses zu machen, bei dem man sich denkt: "Boah, der ist ja mal richtig cool!"

Konkretes Beispiel bei Transzendenz:
Als mir diese Frage in den Sinn kam, war ich gerade dabei, über vier Götter nachzudenken, auf die ein Charakter meiner Protagonisten-Truppe treffen soll. Genauer gesagt die griechischen Windgötter Boreas, Euros, Zephyros und Notos (und eigentlich noch Aiolos, wobei ich noch nicht weiß, wie/wo ich den da unterbringen soll). In meiner Vorstellung leben diese Götter auf dem Gipfel eines Berges, von wo aus sie die Winde aus den vier Himmelsrichtungen (um-)leiten und dem lauschen, was diese mit sich bringen (Gesprächsfetzen, Gesänge usw). Klingt schwammig, nicht wahr? Wie bekommt man es hin, dass solche nichtssagenden Ideen zu handfesten, starken Plotteilen werden? Dass vier herumstehende, windleitende, seinem Wispern lauschende Männer zu respektablen und mysteriösen Göttern werden, zu denen man mit offenem Mund aufsieht? Andere Autoren kriegen das doch auch hin!

Wer bietet erste Vermutungen? :)

Liebe Grüße,
Kazu
Und meine Seele spannte ihre Flügel aus. -  Joseph von Eichendorff

Offline Iphigenie

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Re: Wie wirkt eine Geschichte seriös?
« Antwort #1 am: 09. September 2015, 22:08:48 »
Vielleicht liegt es nur daran, dass ich müde bin, aber ich saß gerade echt mit zerknirschter Stirn und einem "Verdammt, ist das eine gute Frage!" vor meinem Laptop.

Ja, mmh.

Jetzt sollte ich wohl eine Antwort bringen, hm? Ganz simpel und ergreifend: Keine Ahnung. Wer jetzt nicht denkt "Wieso hat sie dann überhaupt einen Post verfasst?", von dem bin ich echt beeindruckt. Doch allen anderen kann ich nur mit einem Wort widersprechen und hoffen, dass man es versteht: Bauchgefühl. Nicht, dass ich das Bauchgefühl hatte, so etwas verfassen zu müssen, sondern das Bauchgefühl entscheidet darüber, was man als "cool" bezeichnet und was eben nicht. Ich habe den Eindruck, dass vieles mit der genaueres Ausgestaltung zu tun hat. Wenn man nur das grobe Skelett einer Geschichte vor sich liegen hat, ist es meistens, für einen Außenstehenden, öde. (außer man ist richtig gut, es in einem spannenden Satz zusammen zu fassen) Als Beispiel muss Mal wieder Spiegeltöter herhalten:

Eine Gruppe von Jugendlichen reist regelmäßig in eine andere Dimension um seelenlose Monster zu töten.

Möglichkeit eins dazu wäre einen kritischen Blick aufzusetzen. Seriös? Nein, nicht wirklich. Die zweite Möglichkeit wäre, mich als psychisch labil einzustufen, weil man den Zusammenhang nicht kennt (meine Freundin hat mir das beim einem Gespräch Mal so gesagt :D). Die dritte, unwahrscheinliche, möchte ich behaupten, Möglichkeit wäre, es wirklich sofort ansprechend zu finden. Aber seien wir Mal ehrlich: Alles hat es schon Mal irgendwie gegeben, wenn man es so darstellt. Der Teufel steckt im Detail, so sagt man das doch, oder? Je mehr man über seine Geschichte und die Hintergründe weiß, desto selbstverständlicher wird es. Dadurch wirkt es nicht mehr so erdacht, aus den Sternen gegriffen, sondern näher und damit lebensechter.

Liebe Grüße,
Iffi
"When it rains, look for the rainbow, when it's dark, look for the stars."

Offline Thiod

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Re: Wie wirkt eine Geschichte seriös?
« Antwort #2 am: 10. September 2015, 00:48:49 »
Eine schwierige, vielschichtige Frage, kein Zweifel.
Erst einmal: Man kann JEDES Thema in eine so saloppe Kurzfassung bringen, dass es nicht mehr ernstzunehmen ist.
Wo das gesagt ist: Um magische Elemente (und darum ging es ja bei allen deinen Beispielen  mehr oder weniger, wenn ich es richtig sehe) überzeugend darzustellen, gehört das richtige Maß an Mystik dazu. Damit meine ich jetzt nicht Räucherkerzen und Kristallkugeln (da hat Professor Trelawney was falsch verstanden gehabt - und deshalb nimmt auch keiner sie ernst), sondern das Ungesagte. Eine richtige (was auch immer das heißen mag) Mischung aus konkreten Beschreibungen, Andeutungen und Auslassungen. Der Mensch hat ein Bedürfnis nach dem Wunderbaren, Übernatürlichen - anderenfalls gäbe es nicht seit Alters her so phantastische Sagen (zwar hat man sich mit denen auch teils die Welt erklärt, aber auch dafür hätte man sich langweiligere Geschichten erfinden können, wenn man gewollt hätte). Fantasy geht außerdem immer die Gradwanderung zwischen dem Aufrufen alter Bilder und Muster, das zu dem Gefühl von Tradition, Urtümlichkeit und einem Sinn von Richtigkeit (weil Teil unserer Kultur, nicht weil naturwissenschaftlich korrekt) beiträgt, und dem Erfinden neuer Ideen und Konstellationen, die zu Unerwartetem führen.
Die Details, die das richtige Bild vermitteln, sind viele - und teils wohl wirklich nur mit Iffis Bauchgefühl zu erklären - in manchen Situationen kann die Sprache sehr viel ausmachen, in anderen auch die Perspektive (ein Gott ist sehr viel schwerer als 'göttlich' darstellbar, wenn man die Handlung aus seiner Sicht beschreibt, zum Beispiel).
Manche Dinge - wie das Gold des Drachens - funktonieren, glaube ich, nur dadurch, dass sie ein herkömmliches Bild sind und als selbstverständlich behandelt werden können. Sobald die Figuren sich in Diskussionen ergehen würden, weshalb der Drache Gold hortet, würde es zur Parodie geraten.

Und letztendlich wird es immer ein paar Leute geben, die trotz aller Bemühung sich hinstellen werden und sagen: "Wie blöd, die schwenken Stöcker und brüllen pseudolateinische Wörter." Das sind die Leute, die der phantastischen Literatur nichts abgewinnen können; genauso wie es die gibt, die der romantischen Komödie oder dem Krimi nichts abgewinnen können.

So, ich hoffe, meine Gedanken ergeben irgendeinen Sinn. Ich bin etwas müde.

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit

Offline KaZuko

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Re: Wie wirkt eine Geschichte seriös?
« Antwort #3 am: 10. September 2015, 17:10:36 »
Wenn du müde bist, fängst du an, Reden wie ein Psychologieprofessor zu schwingen. Manchmal habe ich das Bedürfnis, mich bei dir als Lehrling zu bewerben. Ganz ernsthaft: Solche Posts beweisen, dass du in der Position eines Admins total richtig bist.

Du sagst also, man braucht eine Aufwiegung von Bekanntem und Unbekanntem, mal ganz simpel ausgedrückt. Das macht für mich viel Sinn, muss ich sagen. Danke für den Tipp! Ich versuche mal, dieses Konzept auf ein paar Ideen künftiger Magieverwendungen zu übertragen. :)

Liebe Grüße,
Kazu
Und meine Seele spannte ihre Flügel aus. -  Joseph von Eichendorff

Offline Thiod

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Re: Wie wirkt eine Geschichte seriös?
« Antwort #4 am: 10. September 2015, 22:12:32 »
Ich bin nur Mod, nicht Admin. Aber trotzdem danke  :).
Und ja - ich hätte es vielleicht etwas kürzer sagen können, vorausgesetzt, ich hätte am Anfang des Posts schon gewusst, was am Ende raus kommt  ;).

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit