Wenn das Schreiben nicht länger Hobby ist, sondern zum Beruf wird, da verändert sich doch sicher etwas, mental gesehen. Der Druck, möglichst jeden Tag etwas zu schreiben (und das in ordentlichen Mengen, alle Achtung!), die Abgabefristen, die wie ein Damoklesschwert über dem Arbeitsplatz schweben ... wie verändert sich die Einstellung zum Schreiben dabei?
Derzeit habe ich noch keinen finanziellen Druck, weil ich während meines bisherigen Berufslebens etwas gespart habe, sodass ich erst einmal über die Runden käme, auch, wenn ich aus der Schriftstellerei keine Einkünfte erzielen könnte.
Für einen Romanautor hat der Erfolgsdruck, glaube ich, auch eine andere Geschmacksrichtung, als es in Deinen Ausführungen anklingt. Es geht nicht so sehr darum, jeden Tag etwas/ eine bestimmte Menge zu schreiben - das ist vermutlich eher bei Journalisten der Fall oder bei Autoren von Heftromanserien, bei denen in kurzen Zyklen etwas geliefert werden muss. Bei uns ist der Druck, eine bestimmte Auflage zu bringen. Wir werden ja letztlich pro verkauftem Exemplar bezahlt, über die Tantiemen. Wenn unsere Stoffe so exotisch oder unsere Qualität so grenzwertig sind, dass nur wenige Leute unsere Bücher kaufen möchten, dann bekommt unser Lektor (der Verbündete im Verlag) irgendwann ein Problem, zu erklären, warum er schon wieder ein Buch mit uns machen möchte. Da die Branche - was die in den Publiukumsverlagen involvierten Menschen angeht - sehr klein ist, sprechen sich solche Probleme auch sehr schnell herum und ein Autor ist dann überall "verbrannt".
Worauf ich hinauswill: Es geht nicht darum, dass man möglichst viel von "irgendwas" schreiben muss, sondern Sachen schreibt, die "die Auflage halten oder steigern", also im Vergleich zu den vorigen Büchern nicht abfallen. Dabei ist es sogar besser, wenn man mit einem Titel 30.000 Exemplare verkauft anstatt mit zwei Titeln jeweils 15.000 Exemplare. Sowohl für einen selbst, weil in den meisten Verträgen eine Staffel vereinbart ist, sodass man bei höheren Verkaufsauflagen mehr Prozente bekommt, als auch für den Verlag, weil er weniger Fixkosten hat. Und noch aus anderen Gründen.
Im Kern geht es in Deiner Frage aber, glaube ich, darum, ob der Druck, professionell erfolgreich zu sein, sich auf das Schreiben auswirkt. Ich kann das bei mir persönlich nicht feststellen - ich hatte schon immer den Wunsch, meine Geschichten so gut zu schreiben wie möglich. Ich hielt die Sprache als solche auch schon immer für wertvoll und achtete in Briefen, Mails, Forenbeiträgen auf meine Rechtschreibung, aus einem ästhetischen Bedürfnis heraus, nicht aus Notwendigkeit. Ich habe Romane geschrieben, von denen ich zu wissen glaubte (und mich übrigens dabei irrte), dass ich sie nie würde veröffentlichen können - und war dabei nicht mit weniger Eifer bei der Sache als bei denen, für die ich schon einen Vertrag unterschrieben hatte. Sobald man ernsthaft an einem Roman arbeitet, ist alles drumherum einfach weg, auch der Druck.
Was allerdings anders ist, ist die Auswahl des Stoffs. Die meisten Autoren haben viel mehr Ideen, als sie jemals werden umsetzen können. Alle sind interessant, manche mehr, andere weniger, und auch in der Spitzengruppe gibt es immer ein halbes Dutzend heiße Kandidaten, die geschrieben werden wollen. Da treffe ich heute die Wahl durchaus danach, welcher der Stoffe die beste Möglichkeit der Veröffentlichung hat - ganz konkret dieses Jahr vor der Buchmesse in Leipzig: Da habe ich die Ideen zu Exposés weiterentwickelt, von denen ich gehofft habe, Verlage für sie interessieren zu können, und andere erst einmal ruhen lassen.
Und man bekommt eine gewisse Seniorität, Gelassenheit, was Änderungen an Exposé und Text angeht. Das bedeutet nicht, dass einem die eigene Geschichte unwichtiger wird, aber man erkennt, dass es Myriaden interessanter Geschichten gibt, und viele davon sind gleichwertig. Man muss sich nicht um jeden Absatz streiten und kann in den meisten Fällen dem fachkundigen Blick eines Lektors vertrauen - um dann an den entscheidenden Stellen mit dem gebotenen Altersstarrsinn zu insistieren!
Ich bin Autorin geworden, weil ich es liebe, die Geschichten in meinem kopf zu erforschen und dann zu Papier zu bringen, den Figuren Leben einzuhauchen. Ich könnte mir vorstellen, dass da als Berufsautor eine gewisse Routine bzw. Gewöhnung eintritt, dass es nicht mehr so besonders ist wie zu Hobbyzeiten. Wie siehst Du das?
Ich kann Dich beruhigen. Jede neue Geschichte ist ein Abenteuer, jede neue Figur eine Überraschung. Ich plane meine Geschichten inzwischen gründlicher als vor einigen Jahren, schon allein, um die gewünschte Länge zu treffen. Trotzdem gibt es in den meisten Romanen Nebenfiguren, die mit dem Fuß aufstampfen und eine Hauptrolle auf der großen Bühne anmahnen - und diese dann auch bekommen.
Und da Du ja offenbar Publikums- wie auch Kleinverlage "hautnah erleben durftest": Gibt es Dinge, die Du an einer der beiden Varianten besonders schätzt oder die Dir widerstreben?
Meine Sicht auf die Buchbranche ist davon geprägt, dass ich fünfzehn Jahre als Unternehmensberater und Projektleiter gearbeitet habe. Dabei hatte ich mit Managern in vielen Industriebereichen zu tun - der Automobilindustrie, dem Textilhandel, im Bankensektor, etc. Im Vergleich mit diesen Bereichen ist das Verlagswesen von einer solch herzerweichenden Irrationalität geprägt, dass ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll, wenn ich darüber nachdenke. Das gilt vom kleinen Ein-Personen-Verlag bis zu den größten deutschen Buchverlagen (soweit ich dort Einblick habe). Jedes dieser Häuser hat etwas von einem Familienunternehmen, und wenn man sich die Angestelltenzahlen anschaut, verwundert das auch nicht weiter. Im Piper-Fantasylektorat zum Beispiel arbeiten vier Leute. Dazu kommen dann noch die Redakteure/ Außenlektoren und Übersetzer, die "pro Buch" angeheuert werden - aber die arbeiten mehr oder minder für alle Verlage. Meine Lektorin/ Redakteurin für
Karma und
Todesstille (die bei Fanpro erschienen) arbeitet auch oft für Heyne, Piper und andere Großverlage.
Aus dieser Distanz betrachtet sind sich also alle Buchverlage, die ich bislang kennenlernen durfte, ähnlich.
Trotzdem gibt es Unterschiede. Bei den Kleinverlagen bist Du sehr schnell am Ziel - im Guten wie im Schlechten. Der Lektor ist oft identisch mit dem Redakteur und dem Verleger und dem Marketingchef und dem Vertriebsleiter - Du sprichst also mit einer einzigen Person, und wenn diese Person "ja" sagt, kann direkt der Vertrag unterschrieben werden. Wenn sie allerdings "nein" sagt, kannst Du mit Deiner Idee zum nächsten Verlag gehen. Auch beim Titelbild, Werbetexten oder sonstigen Elementen geht es eben sehr schnell.
In einem Großverlag sprichst Du über die meisten im weiteren Sinne organisatorischen Sachen mit Deinem Lektor und der vertritt dann Deine Sache im Verlag. Meistens setzt er Euer Anliegen durch, aber manchmal prallt er auch ab und dann seid Ihr gemeinsam traurig. Andererseits hat ein Großverlag für viele Fragestellungen Experten an der Hand und einfach mehr "Rüssel im Feld". Wenn eine Fantasyabteilung 80 Titel im Jahr auf den Markt bringt, dann hat sie mehr statistisches Material, um abzuschätzen, was läuft und was nicht, als wenn es nur 6 Titel sind. Die Buchhändler sprechen auch öfter und intensiver mit so einem "Großlieferanten". Es gibt bei Piper Leute, bei denen ein Großteil des Jobs darin besteht, Lesereisen zu unterstützen - bei einem Kleinverlag dagegen freuen sich alle tierisch, wenn es eine Lesung gibt, und gehen erst mal mit Dir feiern. Sie schicken dann auch alles mögliche an Material an den Veranstalter, aber es ist eben keine Routineaufgabe. So etwas wird dann mit sehr, sehr viel Herzblut gemacht, aber logischerweise auch mit sehr wenig Erfahrung.
In einem Großverlag bist Du in bestimmten Abläufen drin. Dein Programmplatz steht lange im Voraus fest, Du stehst in einem schicken Katalog und bereits vor dem Erscheinungsdatum ist mehr oder minder gewiss, wie gut sich Dein Buch verkaufen wird, einfach weil die Vorbestellzahlen eintrudeln. Dein Buch erscheint zum Termin, und zwar exakt zum Termin.
Bei einem Kleinverlag wird vielleicht der Setzer (sie haben nur einen) krank, dann verschiebt sich der Erscheinungstermin Deines Buchs um ein paar Wochen. Oder ein anderer Autor gibt nicht pünktlich ab, Du bist aber schon frühzeitig fertig und Dein Buch kommt deswegen ein paar Monate früher (das ist übrigens bei fast allen meiner Fanpro-Bücher passiert).
Generell sind alle Buchmenschen (den Begriff habe ich hier gelernt) mit viel Herz bei der Sache, egal, wie groß der Verlag ist, bei dem sie arbeiten. In einem Großverlag haben sie einen enger umgrenzten Aufgabenbereich, in einem Kleinverlag sind sie eher Generalisten. Die Begeisterung für Bücher teilen sie alle.
Der schlagende Punkt zuletzt: Wenn Du in einem Großverlag veröffentlichst, wirst Du mehr Leser haben. Dein Buch steht in mehr Buchhandlungen und in den Buchhandlungen, in denen es steht, wird es auffälliger platziert. Du bekommst eventuell mehr Werbung, in jedem Fall mehr Rezensionen. Da ich möchte, dass meine Bücher und meine Leser zueinander finden, ist der Großverlag meine erste Wahl.
Bis dahin gehe ich erst einmal selbst weiterschreiben - wenn auch keine fünfundzwanzig Seiten, schön wär's!
Hau in die Tasten - viel Erfolg dabei!