Ich glaube, ich habe mich hier auch noch nicht zu Wort gemeldet - falls doch, umso besser.
Ich hetzte durch die Straßen.
Der erste Absatz:
Ich hetzte durch die Straßen. Meine Füße trommelten auf den Asphalt. Mein Verfolger keuchte heftig, doch seine Schritte kamen näher.
(Es folgen zwei ähnlich kurze Absätze.)
Ich mag gerne erste Sätze, die mit einem anderen Sinn als dem Sehsinn einsteigen. Es macht mich viel neugieriger, wenn ich zuerst etwas über Geräusche oder eine Berührung erfahre, einen Geruch oder das, was der Protagonist gerade schmeckt. Direkt mit einer visuellen Beschreibung loszulegen empfinde ich als trocken. Vielleicht ist das auch nur bei mir so und es ist verdammt schwierig, so einen Anfang
gut zu schreiben. Mit Details zu beginnen, die das Aussehen der Umwelt komplett offen lassen, ist in Ordnung für mich. Auch, wenn es in die andere Richtung geht: statt beschreiben, was zu sehen ist, beschreiben, was eben
nicht zu sehen ist.
Zum Beispiel sowas wie:
Ledrige Schwingen schoben sich vor die Sonne und tauchten das Land in Dunkelheit.
finde ich besser als:
Der Drache durchpflügte mit glitzernden Schuppen den Himmel über Feldern, die sich unter ihm wie ein Flickenteppich ausbreiteten.
Kurz gesagt: Sätze, die mehr verbergen als offenbaren, hinterlassen bei mir mehr Eindruck. Natürlich lege ich kein Buch nach dem ersten Satz weg, aber er kann meine Erwartungen steigern.
Meinem Beginn folgen Beschreibungen erst, als es während der Jagd zu einer Verschnaufpause kommt. (Daran schließt sich ein Flashback an die Geschehnisse des Abends an, bevor es mit dem Einstieg weiter geht.)
Falls ich den Prolog verwende, beginnt der so:
Er stand vor seiner Reisetasche und rührte sich nicht. Eigentlich sollte er packen, aber er stand seit geschlagenen zehn Minuten reglos vor dem offenen Schlund und wünschte sich, er könnte einfach hineinfallen, den Reißverschluss zuziehen und von irgendjemandem an einen besseren Ort getragen werden.
Dieser Beginn hat diesen "Tunnelblick", den ich vorher angesprochen habe. Ein Detail, in das der Protagonist vertieft ist und das demnach auch für den Leser wichtig ist. Obwohl diese Reisetasche absolut keine Rolle mehr spielen wird.
Diese "kleinen" Dinge regen meine Fantasie und meine Neugierde mehr an, als umfassende Beschreibungen.
LG
Kralle