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Autor Thema: Zufälle  (Gelesen 15484 mal)

Offline KaZuko

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Zufälle
« am: 16. Juni 2014, 09:37:01 »
Guten Morgen, Phanta-Menschen.

Ein Mann, der sein Gedächtnis verloren hat, irrt im Wald umher. Dabei trifft er auf eine Frau mit ihrem Sohn, von der sich bald herausstellt, dass sie Mitglied einer Art Organisation ist, die gegen die Identität des Mannes vorgehen will. (Thor)

Ein Mädchen wandert mit ihrer Mutter aus. Schon am zweiten Tag kommt die Mutter nicht nach Haus (entführt), und das Mädchen macht sich in der Stadt auf die Suche. Dabei trifft sie auf einen Jungen, von dem sich herausstellt, dass er große Verbindungen zu den Entführern hat, ohne an der Entführung mitgewirkt zu haben. (Tzapalil)

Eine Prophezeihung wird ausgesprochen. Im selben Moment tritt derjenige in den Clan ein, der die Prophezeihung erfüllen wird, ohne das die Anführerin das versteht (auch wenn es sehr offensichtlich ist) - und obwohl jemand wie er normalerweise nicht einfach in einen Clan gelassen wird. Dennoch überwindet die Anführerin ihre angeborenen Zweifel ihm gegenüber (eigentlich grundlos) und ermöglicht ihm somit, große Taten in der Zukunft zu vollbringen. (Warrior Cats)


Das klingt alles nach tollen Abenteuern - aber ist das auch so realistisch?
Gestern habe ich in einem Post schon angesprochen, dass manche Zufälle in Büchern schon ein wenig dubios sind, so als wäre alles bereits vorbestimmt und nicht einfach ... passiert. Zwar ist es die Aufgabe eines Schriftstellers, unvorstellbare Geschichten mitzuteilen, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie 'einfach passieren'. Aber vor allem im Urban-Fantasy-Bereich vermisse ich doch an einigen Stellen die Realitätsnähe, die doch eigentlich selbstverständlich in dieses Genre gehört. Es wären häufig nur kleine Details, die es weniger gestellt wirken ließen. Ein Beispiel (das ich selber bald umsetzen werde):

Ein Mädchen trifft einen jungen Mann auf einem Festival. Er steht abseits der Menge in einer Ecke und beobachtet. Das Mädchen geht auf ihn zu, scheinbar als einzige, und fragt ihn nach Personen, mit denen sie etwa dort verabredet ist, die aber nicht da sind. Später wird sie diesen jungen Mann in einem Land wiedersehen, das hinter einem Höhlensystem liegt und von Nichtmenschen bevölkert ist. (Klingt wieder wie vorherbestimmt - gefällt mir nicht.)

Lösung: Man füge einen Teilsatz hinzu, in dem geschrieben steht, dass nicht nur die Protagonistin an dem merkwürdig wirkenden Mann vorbeiläuft, sondern viele, die ihm dabei auch schräge Blicke zuwerfen. Manche Mädchen versuchen zu flirten, Typen nehmen ihre Puppen vor den kalten Blicken des jungen Mannes in Schutz und alte Damen tuscheln, dass die Jugend von Heute irgendwie gruselig sei. (Kabumm! Ein Treffen der Protagonisten erscheint schon gar nicht mehr so zufällig. Die Protagonistin läuft wie alle anderen an ihm vorbei, macht nichts Außergewöhnliches und ist auch nicht die einzige, die ihn zu sehen scheint.)


Meint ihr, ich mache mir damit zu viele Gedanken? Kann man diese Zufälle abwinken oder sollte man doch wirklich darauf achten, ein wenig realistisch zu bleiben?

Wenn letzteres, wie bescheuert klingt dann der Zufall, dass das Mädchen früher Bogenschießen war und jetzt Schwertkampf erlernt, wobei sie später in eine Kampfarena gezwungen wird, in der sie ihre Fähigkeiten gut gebrauchen kann? Zwar habe ich eine Art Erklärung dafür, weshalb sie dem Kämpfen von Natur aus zugetan ist, aber das wird erst zwei Bände später geklärt. Zu großer Zufall oder durchgehbar?

Liebe Grüße,
Kazu
Und meine Seele spannte ihre Flügel aus. -  Joseph von Eichendorff

Offline Bydysawn

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Re: Zufälle
« Antwort #1 am: 16. Juni 2014, 12:53:54 »
Okay. Für mich sind das keine Zufälle und du machst dir darüber nicht zu viele Gedanken. Obwohl ich mich nie wirklich darüber gewundert habe, sondern es einfach angenommen habe. Für meinen Geschmack würde mir die Lösung besser gefallen, da es nicht ganz so öffentsichtlich wäre, das die beiden sich treffen.

LG
Byd
Jemand mit einer neuen Idee gilt solange als Spinner, bis sie sich durchgesetzt hat.

Ich bin nicht gestört nur eine Limited Edition!!!

Offline Thiod

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Re: Zufälle
« Antwort #2 am: 16. Juni 2014, 16:39:35 »
Ich selbst finde, dass es immer eine schwierige Gradwanderung ist.
Generell gehört es zu den Eigentümlichkeiten des Erzählens, dass der Zufall mit dem Autor verbündet ist. Je nachdem, in welchem Ambiente alles spielt, kann es auch mehr oder weniger Schicksalsdeterminierte Handlung geben.
Jedoch gebe ich dir Recht, dass man mit diesem Mittel vorsichig umgehen muss. Zufälle müssen im Bereich des glaubhaften bleiben und nicht zu viel eingesetzt werden. Man sollte sich bewusst sein, wann man dabei ist, den Zufall zu Hilfe zu rufen und darüber nachdenken, ob es passt. Aber ein völliges Tabu gegen wundersame Zufälle würde ich nicht aussprechen.
Nicht zu letzt kennt selbst das echte Leben solche Zufälle.
Beispiel: Ende des zweiten Weltkrieges war meine Oma im Harz, um jemanden zu besuchen, der dort im Sanatorium war, vor der Rückfahrt wurde ihr und ihren Freunden ein 6-hähriges Mädchen mit ins Auto gesetzt, dessen Verwandte wie sie in Hannover leben sollten. Als sie dort ankamen, fanden sie jedoch, dass die Gegend völlig in Schutt gebombt war und keine Chance, das Haus der Familie zu finden. Wie sie noch ratlos dort herum liefen, kam auf einmal aus der Ruine eines Kinos ein Junge gelaufen, sah das kleine Mädchen und rief: "Mensch, Eva, bist du das?!" Und so stellte sich heraus, dass das ihr Bruder war und sie konnten das Kind zu seiner Familie zurück bringen. Klingt auch, wie so ein Buch-Zufall, oder?

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit

Offline KaZuko

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Re: Zufälle
« Antwort #3 am: 16. Juni 2014, 18:57:46 »
Wahnsinn, die Geschichte von den Geschwistern. o.o Du hast Recht. Wenn es solche Zufälle gibt, gibt es die auch in Büchern. Dann vor allem in Büchern.
Aber ja, das mit der Gradwanderung ist extrem empfindlich. Ich für mich finde es schwierig, zu entscheiden, was in Ordnung ist und was einen Ticken zu extrem. Da braucht man wohl noch ein wenig mehr Erfahrung und Feingefühl.

Grüße,
Kazu
Und meine Seele spannte ihre Flügel aus. -  Joseph von Eichendorff

Offline Thiod

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Re: Zufälle
« Antwort #4 am: 16. Juni 2014, 21:45:41 »
Du hast ja selbst schon Beispiele aus Büchern, die du selbst gelesen hast, angeführt. Vermutlich kann es einem helfen, beim Lesen auf so etwas aufmerksam zu sein, zu überlegen, ob es einen da stört und zu vergleichen, ob die Zufälle in den eigenen Geschichten "schlimmer" oder "weniger schlimm" sind.

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit

Offline Tintenflügel

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Re: Zufälle
« Antwort #5 am: 16. Juni 2014, 22:20:40 »
Ich finde (und bin selbst auch immer darauf erpicht) es ist wichtig, dass die Argumente und Motive für eine Handlung stets stichfest sind und nie fadenscheinig schnell in Ermangelung eines besseren schnell hingeworfen. Es ist immer wichtig, die Handlung kontinuierlich logisch zu halten (auch im Fantasy-Bereich) da, wie mir zumindest scheint, dieser Aspekt heute am meisten kritisiert wird.

Per riassumerlo in poche parole: nein, machst du nicht.^^
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-Erik Satie-

Offline Thiod

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Re: Zufälle
« Antwort #6 am: 17. Juni 2014, 14:27:36 »
Innere Logik ist wichtig, da hast du vollkommen Recht, Tintenflügel! Ich kenne ein paar Leute, denen ich sage, dass ich an einer meiner Geschichten noch arbeiten muss, weil manche Szenen noch etwas unplausibel und wie vom Himmel gefallen erscheinen, und die darauf sagen "Wieso, du hast dir doch das ausgedacht, da kannst du doch hinschreiben, was du willst, das ist künstlerische Freiheit." Da frage ich mich, ob die noch nie ein schlechtes Buch gelesen haben...
Dennoch glaube ich, dass Logik und der wohl dosierte Einsatz von Zufall sich nicht ausschließen. Es kann durchaus passieren, dass rein zufällig gerade unser Held es ist, der auf dem nächtlichen Heimweg von einer Party den Diebstahl eines sagenhaften Diamanten beobachtet, obwohl die Wahrscheinlichkeit, soetwas tatsächlich zu erleben himmelschreiend niedrig ist. Aber wenn in einem Krimi alle Hinweise nur auftauchen, in dem die Helden zufällig darüber stolpern, ohne irgendeine Beziehung, dann ist die Geschichte Schrott.
In einem Roman dürfen durchaus Dinge passieren, die der Wahrscheinlichkeit nach niemals einem von uns passieren würden (selbst angenommen, wir lebten in einer Fantasy-Welt).

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit

Offline Tintenflügel

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Re: Zufälle
« Antwort #7 am: 17. Juni 2014, 17:32:55 »
eben, aber es will wohl dosiert sein!
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