Werkstatt > Sprachbasteleien

Unmögliches beschreiben

(1/9) > >>

KaZuko:
Hallo, Phanta-Menschen.

Ich habe eine kleine Aufgabe für euch: Beschreibt das Unbeschreibbare. Aber was genau ist unbeschreibbar? Nun, meiner Meinung nach dürfte eigentlich niemand davon schreiben, zu sterben, man hat es ja nicht erlebt und dürfte daher kaum wissen, wie es sich anfühlt, den letzten Atemzug zu tun. Oder, um es von der anderen Seite anzugehen, vom Tod zurückgeholt zu werden bzw. eine Nahtoderfahrung zu machen: Wer hat so etwas denn schon erlebt?

Nun, ob erlebt oder nicht - genügend Autoren packen ihre Sprachkoffer aus und schustern Absätze über den Tod, das zum-Leben-Erwachen, Krankheiten (die sie nie hatten) und Reisen in die Psyche, die sonst nur erfahrenen Psychologen gelingen. Seid ihr auch solche Meister der Fantasie über Dinge, die man sich eigentlich nicht vorstellen kann? Wie beschreibt ihr ähnliche Dinge in euren Projekten?


Ich werde einmal den Anfang mit zwei Beispielen machen, die in meinen Schreibereien vorkommen:

Das Sterben
Sie hatte nicht erwartet, wirklich auf einem Grund aufzukommen. Eher, dass das Spiel einfach aufhören würde, ihren Tod akzeptieren würde. Stattdessen spürte sie, wie ihre Schulterblätter mit einem Knirschen auf den Stein trafen. Wie ihr Hals noch während des Aufschießens von Schmerzen splitterte. Wie ihr ganzer Körper zerbrach und Blut sie von innen füllte. Während eines winzigen Augenblicks, der angefüllt war von gar unnatürlichen Qualen – unnatürlich, weil es nicht sein durfte, dass ein Lebewesen die Schmerzen seines Todes in voller Gänze erfassen konnte – war Kaylee klar: Sie war gerade gestorben.
Dann ging alles ganz schnell: So laut, dass es in ihren Ohren schmerzte, hörte sie sich selbst halb erstickt nach Luft schnappen. Lichter, Bilder rasten auf sie ein und Geräusche prasselten nieder, während die Spielliege unter ihr im Takt mit den Krämpfen ihres Körpers bebte. Ihr Hals war noch immer gebrochen! Sie konnte fühlen, wie literweise Blut aus ihrer Kehle sprudelte und sich selbst kreischen hören, als wäre es nicht sie, sondern die Schmerzen selbst, die ihre Grausamkeit in die Welt schickten! – Plötzlich war es dunkel.


Eine Seele beginnt, auf einem Planeten zu existieren
Es fühlte sich an, als packe das Leben selbst zu, mit kühler, kräftiger Hand. Keine Erinnerung an ein Davor, keine Kenntnis von  Diesseits und Jenseits, von Licht und Schatten, von jeder möglichen Ordnung oder Chaos, ein scheinbar grundloses Erwachen aus … woraus? Die ersten Fragen entfachten als erste Gedanken und zwischen dem Wirrwarr an Worten, die es erst als Worte zu erkennen und verstehen galt, gab es doch etwas, eine einzige Sicherheit: Plötzlich und ohne weiteres existierte ich. – Ich? Etwas wuchs in mir, ein Selbstbewusstsein, das sich noch an meine inneren Wände klammern musste, um nicht wieder zu zerfallen. Es ermöglichte mehr und mehr, mein Selbst zu begreifen, während die Schwärze, die sich mittlerweile als solche benennen ließ, allmählich zurückzog. Und hinter der Schwärze, indessen meine Gedanken um Grund, Zweck und Art meiner Existenz kreisten, erwachte das tiefdunkle Grün eines Waldes bei Nacht.


Ich bin gespannt, welche Unmöglichkeits-Schöpfungen ihr hervorgebracht habt. :)

Writing_Chrissi:
Bin mir gerade nicht sicher, ob das genau in dieses Board gehört, weil es ja eigentlich was mit Schreiben zu tun hat  :-\
Aber eine schöne Idee!

--- Zitat ---Nun, meiner Meinung nach dürfte eigentlich niemand davon schreiben, zu sterben, man hat es ja nicht erlebt und dürfte daher kaum wissen, wie es sich anfühlt, den letzten Atemzug zu tun. Oder, um es von der anderen Seite anzugehen, vom Tod zurückgeholt zu werden bzw. eine Nahtoderfahrung zu machen: Wer hat so etwas denn schon erlebt?
--- Ende Zitat ---
Genau das habe ich mich auch schon öfter gefragt ;) Aber die Fantasie macht uns Autoren aus, also wieso sollte man dann nicht auch das Unmögliche beschreiben können? Jeder tut es anders, aber vorstellen kann man es sich später trotzdem :) Etwas, auf das ich ehrlich gesagt schon ein bisschen stolz bin ;) Und darauf kann man auch stolz sein!
Aber das ist ja kein Quassel-Thread, also stelle ich mal meine selbstverfasste Sterbeszene vor (ich muss noch etwas daran feilen, aber an sich sagt sie schon viel aus) :

[...] Als ich Sophias Ruf hörte, war es schon zu spät. Ich sah etwas Silbriges aufblitzen, dann traf mich Leons Messer mit voller Wucht.
Schmerz explodierte in meinem Kopf, während alles vor meinen Augen verschwamm und ich fiel. Tiefer und tiefer. Ich konnte nicht mehr atmen, konnte mich nicht bewegen, nicht sprechen. Jemand rief meinen Namen, verzweifelt schluchzend. Eine verschwommene Gestalt beugte sich über mich, schüttelte mich und rief meinen Namen wieder. Es war Benni. Plötzlich tat mir das, was ich zu ihm gesagt hatte, dass ich ihn geschlagen hatte, so leid. Aber etwas in meinem Innern sagte mir, dass es zu spät war. Ich würde mich nie bei ihm entschuldigen können.
Am Rande meines Blickfeldes tauchte eine weitere Gestalt auf. "Lia! Bitte, sei nicht tot!", flehte Sophia, "Benni tu doch was!"
"Beiseite!", mischte sich eine andere Stimme ein.
"Alex...Lia! Hilfe!", stieß Sophia mühsam hervor.
Plötzlich drehte sich alles und ich glitt in die Dunkelheit hinab. Das Letzte, was ich hörte, war Sophias Schrei, der sich mit Leons Lachen vermischte.

Was mir auffällt ist, dass es bei uns Beiden mit der Dunkelheit endet und unsere Figuren den "Sterbeprozess" noch bei halbem Bewusstsein mitkriegen. Sehr interessant, denn das zeigt meiner Meinung nach, dass wir unsere Vorstellungen, wie das Sterben sein könnte, teilen... (Oh, klingt das jetzt seltsam :D ) Ich bin mir aber sicher, dass wir nicht die Einzigen sind, die es so beschreiben würden  ;D

Lg Chrissi

Thiod:
Hallo!
Ich muss ehrlich sagen, mir gefällt dieses Thema sehr gut. Allerdings ist mir beim darüber Nachdenken aufgefallen, dass doch sehr viele Elemente - gerade in der Fantasy - solche sind, die man noch nie erlebt hat. Wer von uns ist schonmal durch ein Dimensionstor gegangen? Wer von uns kann Zaubern? Wer hat schon einmal wirklich auf Leben und Tod gekämpft? Wer schon einmal getötet? Nur als Beispiele - selbst im nichtphantastischen Bereich lassen sich viele finden - bestehen unsere Geschichten nicht an sehr vielen Stellen aus diesem "unbeschreiblichen"?
Aber um beim Tod-Thema zu bleiben hier aus dem Epilog von "Der Kampf des Freien Garia":
Es war, als fiele sie durch ein sehr tiefes, dunkles Wasser, während sie fiel lief  ihr Leben an ihr vorüber wie ein Film, den man zurück spult und mit jedem der Bilder, das sie sah, kam sie sich selbst, ihrer Seele ein Stück näher und sah klarer, wer sie eigentlich war.
 Jenn war ihr irdischer Name gewesen, doch der Name, der schon seit ihrer Geburt in ihrer Seele geschlummert hatte und den sie nun als Stern tragen würde, lautete Gaë. Ihr ganzes, kurzes Leben schien ihr nun fern, wie eine Geschichte, die man sehr gut kennt, die aber schon zuende erzählt ist.
Der Sturz durch die Dunkelheit endete an einem Ort blendender Helligkeit. [...]

Vielleicht finde ich auch noch zu einem anderen "unschreibbar"-Thema etwas, aber das war's erst Mal.
Viele Grüße,
Thiod.

P.S. @Kazu: Sind deine eigentlich aus Projekten oder hast du sie eigens für den Thread geschrieben?

KaZuko:
Verdammt, das war seltsam. Chrissi, ich hätte schon früher geantwortet, aber irgendwie ist mir total entgangen, dass du in diesem Thema geschrieben hast. o.o

Ich finde eure beiden Sterbeszenen sehr interessant. Was mir im Gegensatz zu meiner auffällt, ist, dass bei euch noch Aspekte des Lebens mit einfließen (die Reue wegen Benni, das Leben, das als Film vorbeizieht). Ich hatte nichts dergleichen eingeflochten - vielleicht, weil ich der Meinung war, dass man beim Sterben nicht unbedingt den Nerv hat, noch groß über Vergangenes nachzudenken, vielleicht weil Kaylee glaubte, dass es nicht endgültig sei (was es schlussendlich auch nicht ist), vielleicht aber auch, weil ihr Tod ein schneller Tod war, der innerhalb von Sekunden vollzogen war und ihr keine Zeit für Gedanken ließ. Wer weiß? Vermutlich würde auch ich mich noch ein oder zwei Aspekten widmen, hätte ich vor dem Abdriften in die Dunkelheit Zeit, mir über ein paar schiefgelaufene (oder schöne?) Dinge Gedanken zu machen.

Was ich bei dir, Thiod, noch überaus interessant finde, ist der Name Gaë, der - wie du sagtest - von Anfang an in der Seele des Charakters gelegen haben soll. Das erinnert mich an eine Idee, die ich für ein längeres Projekt hatte, in dem es sich um eine Art Leben-nach-dem-Tod drehen würde. Mir gefällt die Idee sehr gut, Respekt dafür. Da tut sich mir außerdem die Frage auf, ob diese Gaë im weiteren noch eine Rolle spielt, oder ob diese eine und erste Benennung zugleich auch die letzte war. Lust, davon zu erzählen? :)

Grüße,
Kazu

PS: Meine Sterbeszene kommt aus einer Stargate-Fanfiktion, in der Kaylee auf einer Mission in einem Computerspiel von Außerirdischen bewegt, das allerdings ein wenig schief läuft. Die Szene des Erwachens war Beginn eines abgebrochenen Nebenprojekts, die ich jetzt jedoch für mein neues Großprojekt verwende, weil es einfach zufälligerweise so wunderbar passt. :D Warum fragst du?

Thiod:
@ Kazu: Oh, aus purer Neugierde. Und was meine Gaé (habe hier kein Tremma für das <e> finden können) angeht: Sie ist in meinem Garia eigentlich nur eine Nebenfigur, die mir zufällig in den Plot gerutscht ist und die ich, weil sie da gar nicht hingehörte, wieder getötet habe, aber sie war mir dann so lieb geworden, dass ich ihr einen Epilog im Jenseits gegönnt habe. Die Stelle hier ist der Anfang des Epilogs. In den geplanten anderen Bänden kommt sie nicht noch einmal vor, auch wenn ich noch ein, zwei Szenen mit ihr im Kopf hatte.
Und das es dich an eine eigene Idee erinnert, ist wirklich ein interessanter Zufall. Manchmal findet man ganz eigenartige Paralellen in einzelnen Details, liegt vielleicht daran, dass man in der selben Kultur lebt, daher etwa die selben Sagenwelten und co. kennt und so bei seiner Ideenfindung auf ähnliche Grundvroraussetzungen zurückgreift, aber ich glaube, bei unseren Ideen ist doch nur ein relativ kleiner Teil ähnlich, denn meines ist wie gesagt keine richtige Geschichte im Jenseits nur ein 4-seitiger Epilog.

Viele Grüße,
Thiod.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln