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Autor Thema: Das ewige Hin und Her  (Gelesen 14676 mal)

Offline Maja

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Das ewige Hin und Her
« am: 18. Juni 2011, 20:10:00 »
Zwei Wörter, die auf den ersten Blick das gleiche zu bedeuten scheinen und die sehr häufig durcheinandergebracht werden, sind Hin und Her, mit all ihren Kombinationen wie Hinauf, Herunter, Hinab… Aber wann geht es hin, und wann geht es her?

Die Antwort hängt von der Perspektive des Sprechers ab:
  • Her bewegt sich auf den Sprecher zu
  • Hin bewegt sich vom Sprecher weg
In einer Geschichte ist es also immer wichtig, sich bewusst zu sein, aus wessen Sicht sie erzählt wird. Nehmen wir als Beispiel Bob. Bob ist auf den Baum geklettert und winkt seinem Bruder Ewald, der unten steht. Dabei verliert er den Halt und fällt. Aber fällt er jetzt hinunter oder herunter? Die Antwort ist: Er tut beides. Aus Bobs Warte fällt er hinunter, er bewegt sich von seinem alten Standpunkt weg. Aus Ewalds Sicht fällt Bob herunter, denn er kommt dabei auf Ewald zu. In einer Erzählung sieht das dann so aus:
Zitat von: Bobs Geschichte
Bob war stolz auf sich. Das sollte Ewald im mal nachmachen, in die Spitze hinaufzuturnen wie eine Katze oder ein Eichhörnchen! Jetzt versperrte nur noch wenige Blätter und dünne Zweige seine Sicht auf den freien Himmel, währen Ewald unten kaum zu sehen war durch das dichte Blätterdach. Ewald stieß sich auf dem Ast, auf dem er stand, so weit nach oben, wie er konnte, um größer auszusehen, hielt sich mit der rechten Hand fest und winkte mit dem ganzen linken Arm. »He, Ewald!« rief er. Doch zu mehr kam er nicht. Der Ast gab unter ihm nach, Bobs Füße rutschen weg, und ehe er noch versuchen konnte, sich wieder zu fangen, verlor er das Gleichgewicht und fiel hinunter.

Zitat von: Ewalds Geschichte
Ewald traute sich gar nicht hinzusehen. Bob war schon viel zu hoch geklettert. In der Höhe würden ihn die Äste niemals tragen! Und der großvater hatte sie doch noch gewarnt, auf sich aufzupassen! Irgendwo weit oben sah Ewald Bobs rotes T-Shirt durch die Blätter blitzen, aber viel konnte er nicht erkennen, dafür war der Baum zu hoch und das Blätterdach zu dicht. Und wenn Ewald sich die Hände vor die Augen hielt, erkannte er natürlich noch weniger. Von oben hörte er Bob rufen, dann ein erschrockener Schrei, und dann - o nein! Bob verlor den Halt und stürzte herunter.

Aber nicht jeder Autor möchte mit so einer engen Perspektive arbeiten, bei der man direkt durch die Augen einer anwesenden Figur blickt. Manchmal gibt es einen Erzähler, der überhaupt nicht dabei ist, und manchmal ist der Erzähler noch nicht einmal eine Person, sondern nur ein neutrales Augenpaar, das von irgendwo auf die Szenerie blickt. In einem solchen Fall führt euch das Bild vor Augen und fragt euch, wo die Kamera aufgestellt ist und ob sich die Handlung auf sie zu oder von ihr weg bewegt.

Man kann sich den Unterschied einfach merken an dem Aufruf »Komm her!« - niemand würde »Komm hin!« sagen, wenn er möchte, daß sich jemand zu ihm gesellt. Aber obwohl das eigentlich so einfach ist, machen viele das falsch - selbst Erwachsene, die seit vielen Jahren schreiben. Wenn ihr das immer schon richtig gemacht habt - herzlichen Glückwunsch! Und wenn nicht - wir werden uns hier nach und nach typische Fallstricke der deutschen Sprache vornehmen. Denn die hat noch viele davon auf Lager…
Worte sind Luft. Aber die Luft wird zum Wind und macht die Schiffe segeln.
Arthur Koestler

Flemming

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #1 am: 18. Juni 2011, 20:14:39 »
Wow, dieser Unterschied ist mir nie bewusst aufgefallen.
Bis jetzt habe ich immer spontan entschieden, ob ich nun hinab oder herab schreibe, wenn ich denn überhaupt darüber nachgedacht habe.
Also kann ich jetzt auch nicht sagen, ob ich es immer richtig oder auch falsch gemacht habe. Beizeiten muss ich mal über alles drüberlesen =D
Danke für diese Klarstellung, die hat mir einiges gebracht

Flemming

Yora

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #2 am: 18. Juni 2011, 20:37:03 »
Daaarauf hat mich mal meine Mutter hingewiesen, seither bin ich immer verwirrt wenn so ein Wort kommt. Ich muss dann immer an eine Schaukel denken, die schwingt hiin und heeer  :P So merk ich mir das.

Offline Maja

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #3 am: 19. Juni 2011, 02:01:17 »
Wenn jemand mal nicht sicher ist, welches Wort in seinem Fall das richtige ist: Hier könnt ihr das anfragen, es findet sich immer eine Lösung.
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Arthur Koestler

Yanosch W.

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #4 am: 19. Juni 2011, 11:20:45 »
Hallo.

Dieser Beitrag hat zumindest mich erst einmal in eine Sinnkriese geworfen. Ich wusste bisher noch gar nichts über diese Differenzierung von 'Hin' und 'Her'. Warum lernt man so etwas nicht mehr in der Schule? Woher soll Mensch das denn wissen?

Deshalb vielen Dank an dich, Maja, jetzt bin zumindest ich um einiges schlauer. Noch ein Punkt, den ich bei der Überarbeitung meines Projektes werde berücksichtigen müssen, denn ich wette, es immer genau falsch gemacht zu haben. Aber nun gut. Das hat ja noch Zeit. Jetzt werde ich erst einmal versuchen, diese Erklärung überhaupt richtig zu verstehen.  ;)

Mit freundlichen Grüßen, Yanosch

Pamina

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #5 am: 21. Juni 2011, 19:08:46 »
Danke Maja. Seit Ewigkeiten rätsele ich schon immer daran herum, ob es hinunter oder herunter, hinauf oder herauf, hinab oder herab heißt. Jemanden zu fragen habe ich mich jedoch nie getraut. Gut zu wissen, dass auch andere damit so ihre Probleme haben. Bisher habe ich es immer so gehandhabt, dass ich das Wort nehme, das meiner Meinung nach am besten klingt, heraus kam meisten die Vorsilbe hin- :P
Jetzt weiß ich aber zum Glück endlich, wie ich das Ganze richtig angehen kann, vielen Dank für die Erklärung :)

Kaum zu glauben, wie tückisch die deutsche Sprache sein kann...

Offline Chephe

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #6 am: 11. September 2011, 11:17:31 »
Zitat
Warum lernt man so etwas nicht mehr in der Schule?
ich bin äusserst erstaunt, denn wir haben das in der schule gelernt, und das war von Anfang an kein Problem für mich...
naja es auch etwas auf die Lehrer an, denn wir hatten bei vier verschiedenen Lehrern vier mal den unterschied zwischen das und dass, abe Hin und Her kam nur einmal vor... ;)

Offline Maja

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #7 am: 13. April 2013, 17:15:38 »
Ich hole dieses alte Thema wieder hoch, weil ich eine knifflige Nuss dazu gefunden habe - knifflig genug, dass meine Lektorin und ich da unterschiedlicher Ansicht sind, und mich würde interessieren, wie ihr diesen Fall lösen würdet.

Von einem weg ist hin. Zu einem ran ist her. Aber was ist mit Bewegungen, die in einem drin passieren? Genauer: Schluckt man etwas hinunter, oder schluckt man etwas herunter? Was denkt ihr?
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Arthur Koestler

Offline Janika

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #8 am: 13. April 2013, 17:24:59 »
Meine Figuren schlucken meistens hinunter.
Wenn ich es nur auf den Körper selbst beziehe, ist es für mich nicht mehr Sprecher und Umfeld, sondern Kopf und Rest. Alles, was vom Kopf weg geht, ist hin.
Wird meiner einen Protagonistin übel, geht also etwas in Richtung Kopf, ist es folglich umgekehrt, sie hat also das Gefühl, ihr würde die Galle heraufsteigen.

Ich habe das immer eher automatisch so gehandhabt, aber je länger ich darüber nachdenke, desto kniffliger finde ich die Sache!
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Offline Maja

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #9 am: 13. April 2013, 18:31:36 »
Der Duden, muss ich dabeisagen, kennt beide Schreibweisen und gibt für beide die gleiche Häufigkeit an. Richtig sind also beide, auf ihre Art. Es ist vor allem eine philosophische Frage.
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Arthur Koestler

Offline SkullCollector

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #10 am: 13. April 2013, 22:36:51 »
Im Körperinneren würde ich den zwecklichen Kontext als Hilfe heranziehen.
Erbrochenes will aus dem Körper entfernt werden, es wird also die Speiseröhre hinauf- und auch aus dem Körper hinausgetrieben (wobei ich hier sagen muss, dass ich beim zweiten Beispiel erst her- benutzen wollte, da die erhaltende Entität dann ja das Äußere oder, im ekligen Fall, eine andere Person ist - kann man das überhaupt klären, wenn man olympisch-auktorial erzählt?). Nahrung sollte in den Körper integriert werden, es sollte also hereinkommen und die Speiseröhre hinunter in den Magen gelangen, wo's hingehört - man schluckt also hinunter, da der Prozess des Essens und Kauens, also dem Heranführen an und in den Körper, ja noch nichts mit dem Schlucken zu tun hat.

So ganz schlüssig klingt das für mich noch nicht ganz. Dies wären aber meine eigenen Gedanken, ohne auf das Sprachgefühl zurückzugreifen; Janikas Kopfregel gefällt mir da auf Anhieb eher. Ist prägnanter.

Cheers
Skull
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~ Friedrich Nietzsche

Offline Thiod

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #11 am: 13. April 2013, 23:56:20 »
Die Frage ist wirklich gut!
Ich finde Janikas Variante sehr einleuchtend, obwohl ich eher zu herunter tendiere (jedoch nur minimal). Ich glaube, in Zukunft halte ich micht an Janikas Erklärung, so nichts für etwas anders spricht. Schließlich ist man ja als Person eher im Kopf (zumindest als denkende).

Viele Grüße,
Thiod.
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Offline Janika

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #12 am: 14. April 2013, 00:01:40 »
Huch, das finde ich jetzt süß, dass euch die Methode gefällt! :)

Eine Freundin fragte mich heute dazu, ob der Haupt"punkt" des Körpers denn nicht das Herz sei? Ich stelle es mir aber sehr ulkig vor, wenn man z.B. beim Beispiel des Essens bleibt. Das Herz sitzt quasi in der Mitte des Körpers, aber oberhalb des Magens. Anfangs würde man das Essen also herunter-, nach "Passieren" das Herzens aber hinunterschlucken?! :D

Da sagte mir der Kopf von der Logik her einfach mehr zu.
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Offline Thiod

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #13 am: 14. April 2013, 18:37:52 »
Außerdem ist das Herz doch nur eine Blutpumpe. Ich meine, unsere Persönlichkeit ist realerweise in unserem Kopf. Auch wenn es stimmt, dass man so etwas über dem Zwerchfell viele Gefühle körperlich wahrnimmt, woher ja wahrscheinlich die Annahme kommt, dass sie im Herz wären.

Viele Grüße,
Thiod.
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Offline Jayda-Rose

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Re: Das ewige Hin und Her
« Antwort #14 am: 14. April 2013, 18:48:32 »
Das Thema ist echt knifflig ;)

Ich persönlich würde schreiben: "In ihrem Hals hatte sich ein Klos gebildet. Verzweifelt versuchte sie ihn hinunter zu schlucken"
Aber: "Sie schluckte den Bisser herunter"

Ich mache das immer nach Gefühl ohne groß nachzudenken.
Ist es denn schlimm, hin und her "falsch" zu verwenden?

Grüße ♥ Rose
Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt - Albert Einstein