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Autor Thema: Die ersten Sätze eines Buches  (Gelesen 87390 mal)

Offline Darkness Claw

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #150 am: 07. Mai 2015, 19:39:34 »
@Kazu: Jetzt weiß ich endlich, was mich an dem Satz noch gestört hat (es waren die drei Adjektive: vermummt, missmutig, morsch - wirkt etwas überladen). Und du hast Recht, den Namen des Wirtshauses kann ich eigentlich auch in den nächsten Satz stecken, in dem noch eine nähere Beschreibung des Ortes folgt. Also danke für die Rückmeldung, hat mir geholfen.  :D

lg,
Claw
"Enœn sea. Ne nagasto Gelisdan."

Offline KaZuko

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #151 am: 07. Mai 2015, 20:20:36 »
@Thiod: Wow, ich war grade leicht sprachlos. :D
In deiner Analyse steckt viel Wahres. Sogar mehr Gedanken, als selbst ich mir darüber gemacht habe. Aber die Eindrücke, die sie dir vermitteln, sind trotzdem alle passend zur nachfolgenden Geschichte. (Das mit dem Detail hat mich nachdenklich gemacht. Nova hat zwar keinen besonders speziellen Sinn dafür, aber sie ist auch nicht blind, was winzige Beobachtungen angeht. Du bist wirklich erstaunlich und manchmal ein wenig gruselig, Thiod. :D )

@Fan: Das ist eine lustige Art, die zwei Sätze miteinander zu verbinden. Ich kann das durchaus nachvollziehen. Hab es zwar noch nie so gesehen, aber passen tut's trotzdem. c:

Grüßchen
Kazu
Und meine Seele spannte ihre Flügel aus. -  Joseph von Eichendorff

Offline Thiod

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #152 am: 09. Mai 2015, 20:49:02 »
@ KaZuko: Danke, das Lob kam überraschend... auch wenn ich eigentlich nicht vor hatte, jemanden zu gruseln :D

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit

Offline lamarie

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #153 am: 10. Mai 2015, 10:59:24 »
@Anoukh: Etwas verspätet muss ich noch loswerden, dass ich den ersten Satz deiner Dystopie toll finde! Kurz und knapp, aber man weiß direkt, wo es spielt, worum es in der ersten Szene geht, und spannend ist es noch dazu :)

Liebe Grüße,
Marie

Offline Homura-Yuuko

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #154 am: 10. Mai 2015, 16:20:50 »
So viel Zeit ist vergangen und ich sehe diesen Thread erst jetzt, das bedeutet: Zeit zum Nachholen!

Ich muss wirklich ehrlich gestehen, ich hasse Anfänge einfach. Ich benutze das Wort Hass ganz bewusst. Ich hasse sie!
Es ist wirklich sehr schwer, anzufangen, für mich zumindest, und den Leser schon dabei einzuwickeln. Mir gelingt das meist erst nach extrem langer Zeit des Überlegens.

Aber die Frage war ja, was mein gelungenster Satz am Anfang war (bzw. Sätze). Dazu muss ich sagen, dass der erste Absatz meiner Geschichten eigentlich jedes Mal der gleiche ist. Ich beschreibe, was die jeweilige Hauptperson sieht, hört, oder was auch immer, oder wie er/sie sich fühlt, und gebe schon ein paar erste Hinweise auf die Umgebung und/oder die erste Handlung.
Aber am gelungsten dieser oben beschriebenen Einleitungen ist meiner Meinung nach dieser hier:


Das erste Zwitschern eines Vogels von draußen aus den hohen Fenstern drang an Silas' Ohren. Die warme, morgendliche Sonne konnte er an seinem Rücken spüren, während er sich selbst vor dem Spiegel betrachtete. Er zog etwas die Augenbrauen zusammen, als ihm auffiel, wie unordentlich er seine Krawatte gebunden hatte, auf die seine Mutter bestanden hatte. Sie meinte, es wäre nur dem Anlass angemessen, sich förmlich und wohlhabend zu kleiden. Wenn er daran dachte, was es denn eigentlich für ein Anlass war, fiel es ihm noch schwerer, seine Mutter zu verstehen. Aber er wollte ihr auch nicht widersprechen. Heute nicht.


Das ist der erste Absatz aus meinem RPG-Vorgeschichten-Projekt.

Liebe Grüße,
H-Y
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Offline lamarie

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #155 am: 10. Mai 2015, 23:24:49 »
Huhu :)

Ich habe das Gefühl, es kribbelt gerade in mir - ich find deine Einleitung toll! Sie lässt sich so ruhig und gleichmäßig lesen und dann folgen die abgehackten beiden letzten Sätze - spannend, denn natürlich will ich jetzt wissen, warum er ausgerechnet heute ihr nicht widersprecht. Gefällt mir!

Liebe Grüße,
Marie

Offline Kralle

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #156 am: 28. Mai 2015, 22:47:14 »
Ich glaube, ich habe mich hier auch noch nicht zu Wort gemeldet - falls doch, umso besser. ;D


Zitat
Ich hetzte durch die Straßen.

Der erste Absatz:

Zitat
Ich hetzte durch die Straßen. Meine Füße trommelten auf den Asphalt. Mein Verfolger keuchte heftig, doch seine Schritte kamen näher.

(Es folgen zwei ähnlich kurze Absätze.)
Ich mag gerne erste Sätze, die mit einem anderen Sinn als dem Sehsinn einsteigen. Es macht mich viel neugieriger, wenn ich zuerst etwas über Geräusche oder eine Berührung erfahre, einen Geruch oder das, was der Protagonist gerade schmeckt. Direkt mit einer visuellen Beschreibung loszulegen empfinde ich als trocken. Vielleicht ist das auch nur bei mir so und es ist verdammt schwierig, so einen Anfang gut zu schreiben. Mit Details zu beginnen, die das Aussehen der Umwelt komplett offen lassen, ist in Ordnung für mich. Auch, wenn es in die andere Richtung geht: statt beschreiben, was zu sehen ist, beschreiben, was eben nicht zu sehen ist.
Zum Beispiel sowas wie:

Zitat
Ledrige Schwingen schoben sich vor die Sonne und tauchten das Land in Dunkelheit.

finde ich besser als:

Zitat
Der Drache durchpflügte mit glitzernden Schuppen den Himmel über Feldern, die sich unter ihm wie ein Flickenteppich ausbreiteten.

Kurz gesagt: Sätze, die mehr verbergen als offenbaren, hinterlassen bei mir mehr Eindruck. Natürlich lege ich kein Buch nach dem ersten Satz weg, aber er kann meine Erwartungen steigern. :)
Meinem Beginn folgen Beschreibungen erst, als es während der Jagd zu einer Verschnaufpause kommt. (Daran schließt sich ein Flashback an die Geschehnisse des Abends an, bevor es mit dem Einstieg weiter geht.)
Falls ich den Prolog verwende, beginnt der so:

Zitat
Er stand vor seiner Reisetasche und rührte sich nicht. Eigentlich sollte er packen, aber er stand seit geschlagenen zehn Minuten reglos vor dem offenen Schlund und wünschte sich, er könnte einfach hineinfallen, den Reißverschluss zuziehen und von irgendjemandem an einen besseren Ort getragen werden.

Dieser Beginn hat diesen "Tunnelblick", den ich vorher angesprochen habe. Ein Detail, in das der Protagonist vertieft ist und das demnach auch für den Leser wichtig ist. Obwohl diese Reisetasche absolut keine Rolle mehr spielen wird. :D Diese "kleinen" Dinge regen meine Fantasie und meine Neugierde mehr an, als umfassende Beschreibungen.

LG
Kralle

Offline Thiod

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #157 am: 29. Mai 2015, 01:07:55 »
Ich muss sagen, dass ich deine Betrachtungen über erste Sätze großartig finde. Auch deine Beispiele veranschaulichen sehr gut. Der Sehsinn ist wohl vorallem deshalb weniger packend, weil es das ist, was man bereits erwartet. Wir sind in unserem täglichen Denken sehr Seh-fixiert, obgleich auch alle anderen Sinne ähnlich wichtig sein können. Und dass das Nicht-zeigen immer spannender ist, ist eigentlich eine alte Regel - aber in Bezug auf erste Sätze habe ich persönlich sie noch nie so bewusst angewendet.

Viele Grüße,
Thiod.
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Offline Yona

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #158 am: 13. März 2017, 18:17:42 »
Den Blick bewusst auf kleinere Dinge zu verwenden habe ich schon öfter gemacht, das aber gezielt auf den ersten Satz zu verwenden, finde ich eine gute Idee. Ich mag erste Sätze, weshalb ich hier auch gleich ein paar von anderen Autoren (und auch von mir) Zitieren will, weil mich viele dieser Anfänge faszinieren. Ich habe ziemlich langeweilige Anfänge, vielleicht sollte ich da mal bewusster darauf gucken.

Zitat
Carter hier.

Das ist der erste Satz des zweiten Teils von "Die Kane Chroniken" (Nicht zu verwechseln mit "Die Känguru-Chroniken"), ich finde es gut, weil es ganz knapp sagt: "Jetzt gehts los".

Zitat
Die Nudel lag auf dem Gehsteig.

Das ist aus "Rico, Oskar und der Tieferschatten", interressant finde ich diese Unwichtigkeit, die im Rest des Kapitels dann aber doch wichtig wird und auch die Persönlichkeit von Rico wiedergibt.

Zitat
Wie soll man Artemis Fowl beschreiben? Viele Psychiater haben es versucht und sind daran gescheitert.
Ist der Anfang von "Artemis Fowl", den finde ich besonders gut.

 Die Sachen von mir
Zitat
Stöhnend schleppte Ginny ihr Board an Land

Zitat
"Ne Zeitmaschine, das ist nicht dein ernst, oder?"
"Du wirst ja sehen"
"Na, da bin ich aber mal gespannt"
Genau dieses Gespräch ereignete sich vor etwa drei Monaten.
Das ist eher so ein Zeitvertreib-Projekt

Zitat
Mein Name ist Mika.
Ich finde, das ist ein recht normaler Anfang, passt aber zum Charakter des Protas.

Viele Grüße,
Yona

Offline Thiod

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #159 am: 14. März 2017, 15:20:37 »
Witziger Weise gefällt mir der mit der Zeitmaschine ziemlich gut. Man geht ja meist davon aus, dass es zumindest ein wenig Vorlauf gibt, ehe ein Text auf sein eigentliches Thema zu sprechen kommt. Aber der Satz knallt einem das Thema (oder zumindest etwas, das klingt, als könne es das Thema der Geschichte sein) so direkt ins Gesicht, dass es schon wieder gut ist.

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit

Offline Yona

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #160 am: 15. März 2017, 14:13:51 »
Ersaunt mich auch, dass du gerade das gut findest. Ich hatte nämlich einfach keine Lust, ewig vorher zu schreiben. Außerdem war es mein... ich glaube zweiter oder dritter Schreibanlauf nachdem ich das Schreiben wiederendteckt habe. Also, ich habe mir dabei künstlerisch nicht groß Gedanken gemacht.

Viele Grüße,
Yona


Offline Thiod

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #161 am: 16. März 2017, 19:12:43 »
Vll. bin ich auch voreingenommen, weil ich finde, dass Zeitreisen ein cooles Thema ist, das kann ich gerade nicht so genau sagen... :-\

Viele Grüße,
Thiod.
Wissen ist Macht - Phantasie ist Freiheit

Offline Kralle

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #162 am: 17. März 2017, 15:03:52 »
Nein, ich stimme dir vollkommen zu, Thiod, und das nicht nur wegen des Zeitreisen-Themas. Mit diesem Minidialog ist man ohne Beschreibungen direkt dabei. Auch durch die Wortwahl ist ein "sagte x ungläubig/abschätzig/..." nicht mehr vonnöten. Man kann den Satz praktisch direkt hören und nachempfinden, da ich wohl dasselbe sagen würde, wenn mir gegenüber jemand anfangen würde, mir von einer Zeitmaschine zu erzählen :o Durch das Ende des Absatzes kommt man dann auch ins Grübeln, ob diese spezielle Information nicht vielleicht in direktem Zusammenhang mit der Zeitmaschine steht. Dementsprechend finde ich diesen Anfang sehr gelungen. :)

LG
Kralle (wieder aktiv :D)

Offline April

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #163 am: 29. August 2017, 11:55:22 »
Ich mische diesen Thread mal wieder auf.  :P
Die ersten Sätze meines derzeitigen Hauptprojektes lauten:
Der Mond schien durch das vergitterte Fenster herein und ließ ihre eisernen Fesseln silbern glänzen. Gedankenverloren betrachtete sie ihre blutverschmierten Hände, die dunkelrote, kaum erkennbare Abrücke auf ihrem petrolfarbenen Mantel hinterlassen hatten.
Um ehrlich zu sein, bin ich ganz schön stolz. Ich glaube, dass sind die besten ersten Sätze, die ich je geschrieben habe...  :D
Viele Grüße,
Sandsturm
"So, I´m going to bed before either of you come up with annother clever idea to get us killed - or worse, expelled."

Offline Yona

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Re: Die ersten Sätze eines Buches
« Antwort #164 am: 01. September 2017, 11:35:03 »
Wirklich gut! Man wird sofort neugierig, warum sie die Fesseln hat, außerdem hat das so eine Stimmung, wie die Ruhe nach dem Sturm (Ich weiß, eigendlich heißt das vor dem Sturm..).
Sehr schöner Buchanfang.

Viele Grüße,
Yona

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